von Jörg Tomczak
Die Hobby-Astronomie umfasst ein breites Betätigungsfeld, auf dem jeder interessierte Sternenfreund seine eigenen Vorlieben und die Faszination an unserem Universum vertiefen kann.
Viele Amateurastronomen erfreuen sich beim Anblick durch das Teleskop an der Schönheit der Himmelsobjekte in unserem Sonnensystem. Andere sammeln bevorzugt Lichtphotonen mit einer Kamera ein und…
legen dem Auge verborgene Nebel oder Galaxien offen.
Aber das Licht enthält weitaus mehr Botschaften!
In einem spannenden Vortrag stellte unser Vereinsmitglied Reinhold Pietschmann am 5. Mai 2023 im Auditorium der Bruno-H.-Bürgel-Sternwarte in Berlin sein Selbstbau-Projekt eines astronomischen Spektrografen vor.
Die Komponenten von spektroskopischen Doppelsternen haben einen so geringen Abstand, dass das Auflösungsvermögen von optischen Teleskopen nicht ausreicht, um sie einzeln nachzuweisen. Sie geben sich nur durch Unterschiede im elektromagnetischen Spektrum zu erkennen, denn beim gegenseitigen Umlauf der Sterne verschieben sich ihre Spektrallinien periodisch. Dieses Phänomen ist auch als Dopplereffekt bekannt.
Im Jahre 1887 erkannte Edward Charles Pickering (damaliger Direktor des Harvard-College- Observatoriums) den Stern Mizar als ersten spektroskopischen Doppelstern. Seine Mitarbeiterin Antonia C. Maury berechnete 1889 aus den stellaren Spektren als erste die Umlaufbahnen und Umdrehungsperioden des Doppelsystems.
Diese fundamentale Entdeckung in der Wissenschaftsgeschichte mit den heutigen Mitteln eines Amateurastronoms nachzuvollziehen und dadurch auch den Erkenntnisprozess selber nachempfinden zu können, war die Hauptmotivation für das Selbstbau-Projekt von Reinhold Pietschmann.
Für den Bau des Spektrografen entschied er sich für die „Königsklasse“: einen Spalt-Spektrografen. Dieser hat vor allem den Vorteil, dass Messungen weitestgehend unabhängig vom Seeing durchgeführt werden können.
Der gelernte Diplomingenieur für Maschinenbau studierte in seiner Freizeit umfangreiche Literatur zum Fachgebiet der Spektroskopie und informierte sich auch in speziellen Internet-Foren. Bei der Präsentation seines Projektes spürt man die Leidenschaft, mit der er sich der Konstruktion und Herstellung widmete. Für das Gehäuse verwendete er hochwertige Aluminiumblöcke. Mit einer Fräse wurden Ausbuchtungen zur Gewichtsreduzierung und die Installationsbereiche für die einzelnen Module geschaffen.
Neben einem hochwertigen Gitter kommt auch ein Wechselspalt mit Öffnungen von 10 μm bis 700 μm zum Einsatz. Das Trägermaterial besteht aus einem Glasplättchen, welches von der Rückseite verchromt wurde.
Für die Kalibrierung des Spektroskops wird eine Lichtquelle benötigt, die genau bestimmbare Emissionslinien erzeugt. Reinhold kam auf die grandiose Idee, das sich hierfür eine Glimmlampe aus dem Innenleben eines Starters für Leuchtstoffröhren sehr gut verwenden lässt…
Nach einem 3⁄4 Jahr Bauzeit und einem Budget von unter 1.000 Euro gelang es ihm, ein Gerät herzustellen, das mit einem spektralen Auflösungsvermögen von R=23000 im Hα-Bereich den professionellen Systemen auf dem Markt absolut ebenbürtig ist.
In den darauffolgenden 1,5 Jahren widmete sich der Sternenfreund den Messungen an 3 klassischen Doppelsternsystemen. Dafür wurde der 5kg wiegende Spektrograf direkt an ein Teleskop vom Typ Celestron C14 angeschlossen.
In vielen Beobachtungsnächten mit zahlreichen Messungen gelang es Reinhold, mit wissenschaftlichen Methoden die Doppelsterne und die Bewegungsbahnen der Komponenten nachzuweisen. Dabei erreichten seine Messwerte ziemlich genau die Werte, die in einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht wurden.
Für Reinhold ist das Projektziel damit erfolgreich abgeschlossen!
Mit seinem Vortrag hat er die Teilnehmer der Veranstaltung in seinen Bann gezogen und wertvolle Inspirationen für eigene Pläne weitergegeben.
Übrigens, Reinhold liebäugelt bereits mit einem neuen Projekt:
Ein Sonnenteleskop, das nur aus einem Hauptspiegel besteht und im Brennpunkt mit einer Kamera ausgestattet ist. Im Selbstbau natürlich – ganz im Sinne des Namensgebers unseres Vereins und Autodidakten Bruno H. Bürgel.